Forscher untersuchen das Zurückweichen von Gletschern mit Wärmebildern von Drohnen
Rosie Bisset, eine Forscherin an der Edinburgh University, kartografiert die Fläche eines der höchsten Gletscher in Südamerika. Dabei nutzt sie Drohnen, die mit Wärmebildkameras ausgestattet sind. Bereits seit einigen Jahren untersuchen Forscher die Andengletscher mit Hilfe von Drohnen, doch Bisset ist die erste, die auf ihrer Expedition eine Wärmebilduntersuchung durchführt.
Bisset ist Mitglied eines Forschungsprojekts namens CASCADA, bei dem Forscher aus dem Vereinigten Königreich und Peru kritische Probleme lösen, die durch das Zurückweichen von Berggletschern verursacht werden. Die Gletscher in den peruanischen Anden sind in den letzten Jahrzehnten um 30 % geschrumpft. Dies stellt ein ernsthaftes Risiko für die Wasserversorgung der Menschen in der Region Ancash dar. Bisset nutzt Wärmebilddaten, um nachzuvollziehen, wie sich die Oberflächenbedeckung der Gletscher auf die Schmelzrate auswirkt.
„Eine der Sachen, die wir uns mit der Wärmebildkamera genau ansehen möchten“, erklärt Bisset, „ist die Materialbedeckung der Gletscheroberfläche, die sogenannte Schuttbedeckung.“ Je nach Dicke wirkt sich die Schuttbedeckung zweierlei auf die Schmelzrate des Gletschers aus: wird die Oberfläche nur von einer dünnen Schicht bedeckt, erhöht dies die Schmelzrate, da die Gletscheroberfläche dadurch verdunkelt und mehr Sonnenlicht absorbiert wird. Eine dickere Schicht hingegen hat den gegenteiligen Effekt. Diese wirkt wie eine Dämmung und verhindert, dass die Wärme die Oberfläche des Eises erreicht.
„Durch das Messen der Oberflächentemperatur können wir die Dicke der Schuttbedeckung berechnen und ermitteln, wie diese sich auf die Schmelzrate auswirkt.“ Bissets Drohne wurde mit einer FLIR Vue Pro R 640 ausgerüstet, um die Oberflächentemperatur des Gletschers zu messen, und erstellt derzeit ein regelrechtes Mosaik aus zusammengesetzten Wärmebildern. Dies ermöglicht den Forschern, die Oberflächeneigenschaften genauer zu verstehen.
Mit einer FLIR Vue Pro R gesammelte Wärmebilder.
„Diese Technologie entwickelt sich derzeit ziemlich rasant“, erklärt Bisset im Hinblick auf die Wärmebildtechnik. „Sie kann uns viele interessante Sachen zeigen, die wir mit normaler Bildgebung nicht sehen könnten.“
Zuvor nutzte Bisset Wärmebilder von Satelliten, erkannte dann aber, dass Bilder von Drohnen ihr Bilder mit wesentlich höherer Auflösung und bessere Daten liefern würden. Da sie zuvor nie mit Drohnen gearbeitet hatte, nahm sie an einem Crashkurs in Drohnensteuerung teil, um die Expedition durchführen zu können. Dabei arbeitete sie mit einem Unternehmen aus Edinburgh namens Skytech Aerial zusammen, das sich auf Lösungen für Drohnen spezialisiert, die mit einer Wärmebildkamera ausgerüstet wurden (zusätzliches Gewicht) und die in großer Höhe fliegen (die dünne Luft erfordert, dass sich die Propeller schneller drehen).
„Frank“, die Drohne, die zum Sammeln der Gletscherdaten eingesetzt wurde.
Die Reise zum Vermessen der Gletscher dauerte mehr als 3 Wochen, in denen Bisset und ihr Feldassistent Callum Reay oft mehr als 700 bis 800 Meter in großer Höhe überwinden und häufig bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt campen mussten. Neben Ihrer Vermessungsausrüstung trugen die beiden beim Besteigen des Llaca-Gletschers und des Shallap-Gletschers jeweils noch eine Drohne in ihrem Rucksack.
Untersuchter Bereich auf dem Llaca-Gletscher.
„Wir haben ziemlich viel Ausrüstung benötigt“, so Bisset. Außerdem gab es beim Sammeln der Daten noch mehr Herausforderungen zu überwinden. Obwohl die Forscher dank der Drohnen einen kleineren Bereich zu Fuß abdecken mussten, mussten sie noch immer den Gletscher betreten, um „Bodenstationen“ zu platzieren. Diese ermöglichten es ihnen, zusätzliche Temperaturmessungen vorzunehmen, mit denen Sie die Wärmebilddaten der Drohne überprüfen und kalibrieren konnten. Die Oberfläche von Gletschern ist oft nicht ungefährlich. Grund dafür sind herumrollende Felsbrocken, unebene Oberflächen, Steinstürze und große Tümpel aus Schmelzwasser.
Bodenstation für die Drohnen.
In Edinburgh arbeitet Bisset nun daran, alle ihre Daten zusammenzubringen. „Derzeit arbeiten wir daran, das Mosaik aus Wärmebildern zusammenzusetzen. Dieses nutzen wir dann, um die Dicke der Schuttbedeckung sowie andere Aspekte zu modellieren, die sich möglicherweise auf die Schmelzrate der Gletscher auswirken. Wir erstellen außerdem ein 3D-Modell des Gletschers, das wir mit früheren 3D-Modellen des Gletschers vergleichen können, die einer unserer Partner zusammengestellt hat.“
Dieser Partner, Oliver Wigmore, ist Forscher an der University of Victoria Wellington in Neuseeland. Seit 2014 hat er den Llaca-Gletscher viele Male besucht und mithilfe von Drohnen 3D-Modelle der Oberfläche zusammengestellt. Bisset wird ihr 3D-Modell mit seinen Daten vergleichen, um zu ermitteln, ob sich die Gletscheroberfläche verändert. Dann wird sie die neuen Wärmebilder anwenden, um ein besseres Verständnis der Schuttbedeckung und der Schmelzrate zu erhalten.
3D-Modell der Gletscheroberfläche.
Die Forschung des CASCADA-Projekts wird Einfluss auf die örtliche Politik haben. Das Zurückweichen der Gletscher in Peru hat zwei Auswirkungen: Die erste ist, dass den Menschen in der Region durch das Zurückweichen der Gletscher weniger Wasser zur Verfügung stehen wird. In der Ancash-Region leben mehr als 250.000 Menschen flussabwärts der Gletscher. Durch deren Zurückweichen wird ihnen das Schmelzwasser langfristig seltener und in geringeren Mengen zur Verfügung stehen.
Die zweite Auswirkung besteht darin, dass mit dem Zurückweichen der Gletscher säurehaltiges Gestein freigelegt wird. Der Abfluss von diesen Felsen wiederum verunreinigt das hydrologische System und das Schmelzwasser wird für den Menschen gesundheitsgefährdend.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, haben örtliche Gemeindegruppen diverse Projekte ins Leben gerufen, darunter den Aufbau von Feuchtgebieten. Zweck dieser Feuchtgebiete ist es, das Wasser zu speichern und langsamer freizugeben, so wie einst die Gletscher. In Feuchtgebieten können außerdem Pflanzen angebaut werden, die Schwermetalle und andere Giftstoffe herausfiltern, sodass das Wasser trinkbar ist.
Die Studie wurde vornehmlich durch das Doktoranden-Trainingsprogramm des britischen Forschungsrates für Natur und Umwelt (NERC) E3 finanziert. Zusätzlich wurde es durch die Schottische Allianz für Geowissenschaften, Umwelt und Gesellschaft (SAGES) unterstützt. Weitere Gelder für die Studie kamen durch das kollaborative Forschungsprogramm des NERC und des peruanischen Rates für Wissenschaft, Technologie und technologische Innovation (CONCYTEC) zusammen.
Bisset, die derzeit an ihrer Doktorarbeit schreibt, weiß noch nicht, wann sie wieder in die Anden zurückkehren kann. Doch auch in Zukunft werden mit Sicherheit Forscher die Region besuchen, um das Zurückweichen der Gletscher zu studieren und Lösungen für die Region zu entwickeln.