Laut Thermografie sollte Champagner anders eingeschenkt werden

Champagnerforscher verwenden eine FLIR-Kamera zur Visualisierung der CO2-Dispersion während des Gießvorgangs

Überall auf der Welt wird Champagner mit Luxus und Feierlichkeiten in Verbindung gebracht. Nicht nur ist Champagner ein Zeichen von Reichtum, jedes Jahr an Silvester lassen Millionen von Menschen auf der ganzen Welt den Korken aus der Flasche knallen. Doch bis heute blieb der Mechanismus hinter dem Geschmack dieses besonderen Getränks im Verborgenen. Diese Situation hat sich nun geändert, da Forscher versuchen, die Geheimnisse aufzudecken. Die jüngste Erkenntnis ist, dass wir die Art und Weise, wie wir diesen sprudelnden Wein ausschenken, überdenken sollten.

Der einzige echte Champagner wird ausschließlich in der Champagnerregion in Frankreich hergestellt, von der er auch seinen Namen hat. In dieser Region, an der Universität von Reims, wird der größte Teil der Champagnerforschung betrieben. Wie Forscher unlängst herausgefunden haben, wirkt sich die Art, wie Champagner gemeinhin eingeschenkt wird, nachteilig auf das Aroma und damit auf den Geschmack aus. Laut Aussage der Forscher sollte Sekt vielmehr wie Bier serviert werden. Wärmebildkameras haben bei dieser jüngsten Entdeckung eine wichtige Rolle gespielt.

Mehr Bläschen

Das Sprudeln im Champagner wird durch Gärung erzeugt. „Nach der ersten Gärung ist Champagner im Grunde ein Weißwein“, erklärt Guillaume Polidori, Leiter der Abteilung Thermomechanik der GRESPI (der Gruppe für Forschung in den Ingenieurwissenschaften). Die Abteilung Thermomechanik der GRESPI ist eines der weltweit führenden Forschungsinstitute, das die Auswirkungen von Wärme auf die mechanischen Eigenschaften von Werkstoffen untersucht. „Wenn sie den Champagner in Flaschen abfüllen“, fährt Guillaume Polidori fort, „fügen sie eine Mischung aus Hefe und Zucker hinzu, um eine zweite Gärung in Gang zu setzen. Bei der Gärung entsteht CO2 und weil das CO2-Gas nirgendwo hin kann, löst es sich im Weißwein auf. Wenn die Flasche dann geöffnet wird, löst sich das aufgelöste CO2 und es entstehen die Blasen im Champagner.“

Die Forscher verwendeten eine Wärmebildkamera der Serie SC7000 von FLIR, um das CO2 zu visualisieren, das beim Einschenken eines Glases Champagner entweicht.

Lange Zeit dachte man, dass die Bläschen im Champagner das sprudelnde Gefühl im Mund verstärken und ihm vielleicht einen etwas säuerlichen Geschmack verleihen, ohne weitere Einflüsse auf den Geschmack des Champagners zu haben. Diese Annahme erwies sich als völlig falsch, da eine frühere Studie (veröffentlicht 2009 in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“) zeigte, dass der größte Teil des Aromas von Champagner im CO2 enthalten ist. Es hat sich gezeigt, dass in den Bläschen bis zu 30 Mal mehr geschmacksverstärkende Stoffe enthalten sind als im Rest des Getränks.

Gekühlt ist besser

Diese neue Erkenntnis hat die Sichtweise der Experten hinsichtlich der Blasen im Champagner stark verändert und die Forscher der GRESPI wollten dieses Phänomen weiter erforschen. Sie wollten testen, wie sich die Art und Weise, wie Champagner eingeschenkt wird, auf den CO2-Verlust auswirkt, denn CO2-Verlust bedeutet auch Geschmacksverlust. Sie testeten den CO2-Gehalt des Champagners vor und nach dem Gießvorgang mit verschiedenen Gießtechniken bei unterschiedlichen Temperaturen. Sie fanden heraus, dass je niedriger die Temperatur ist, desto geringer ist der CO2-Verlust während des Gießvorgangs. Dies war der erste wissenschaftliche Beweis dafür, dass das Servieren von gekühltem Champagner dazu beiträgt, das CO2 – und damit den Geschmack des Champagners – zu bewahren. Noch überraschender war jedoch das Ergebnis des Vergleichs von unterschiedlichen Gießtechniken. Sie fanden heraus, dass die klassische Art, Champagner zu servieren, nicht sehr effektiv war.

Genau wie Bier

Die Forscher verglichen zwei verschiedene Arten, ein Glas Champagner einzugießen: die „Champagner-ähnliche“-Gießmethode und die „Bier-ähnliche“-Gießmethode. Die „Champagner-ähnliche“-Methode besteht darin, das Glas senkrecht zu halten, sodass der Champagner auf den Boden des Glases trifft. Dies ist derzeit die gebräuchlichste Art, Champagner und Sekt in Bars, Clubs und Restaurants zu servieren. Bei der „Bier-ähnlichen“-Gießmethode wird das Glas schräg gehalten, sodass der Champagner an der geneigten Glasseite entlang fließt. Das Glas wird während des Gießvorgangs in eine aufrechte Position gekippt. Dies ist die typische Methode, um Bier zu servieren.

Die Forscher überprüften die CO2-Werte vor und nach dem Gießen bei beiden Gießmethoden und bei drei verschiedenen Temperaturen: 4, 12 und 18 °C. Die Ergebnisse zeigten, dass die bierähnliche Gießmethode im Vergleich zur „traditionellen“ Methode deutlich weniger CO2-Verluste verursacht.

Wenn der Champagner auf „traditionelle Weise“ eingeschenkt wird, ist die Kontaktfläche mit der Luft bedeutend größer und es entstehen wesentlich mehr Verwirbelungen.

Bierähnliche Methode weniger turbulent

Die bierähnliche Gießmethode, bei welcher der Champagner entlang der geneigten Glasseite floss, war wesentlich weniger turbulent und setzte weniger Gas frei als die traditionellere Gießmethode. Die „champagnerähnliche“ Art des Servierens – das Getränk senkrecht auf den Boden des Glases zu gießen – erzeugte eine dicke Schaumkrone, die sich schnell vertikal ausdehnt und beim Servieren allmählich zerfällt.

Doch nicht nur die Blasen sind verantwortlich für die Freisetzung des CO2 aus dem Champagner, sondern auch die Diffusion des CO2 durch die Kontaktfläche des Champagners mit der Luft. Vor einigen Jahren wurden Experimente zu den jeweiligen CO2-Verlusten beim Einschenken von Champagner in ein Glas durchgeführt (veröffentlicht 2002 in Annales de Physique) und es wurde festgestellt, dass bei jedem einzelnen CO2-Molekül, das in Form von Blasen aus dem Champagner entweicht, vier weitere direkt durch Diffusion über die freie Kontaktfläche des Champagners mit der Luft entweichen. Die Diffusion wird daher als der Hauptweg vermutet, über den das gelöste CO2 beim Einschenken eines Glases Champagner entweicht.

Beim Einschenken von Champagner bildet die sprudelnde Flüssigkeit einen Strahl, oder eine Zunge, wenn sie aus der Flasche in das Glas fließt. Laut Guillaume Polidori erklärt dieser Effekt teilweise den Unterschied beim CO2-Verlust. „Bei der traditionellen Art des Servierens ist diese Zunge viel länger als bei der Biermethode. Das bedeutet, dass die Kontaktfläche des Champagners mit der Luft deutlich kleiner ist, wenn man den Champagner wie Bier gießt. Wir denken, dass dies auch teilweise den Unterschied zwischen den beiden Gießtechniken erklärt.“

Die Wärmebildkamera FLIR SC7000 ist auf ein Champagnerglas gerichtet, das vor einem kalibrierten Schwarzkörper steht.

Den Diffusionsprozess sichtbar machen

Da der Diffusionsprozess für das menschliche Auge nicht sichtbar ist, stellte die Messung eine Herausforderung für die Forscher dar. Die Lösung für diese Herausforderung war eine Wärmebildkamera. „Wir haben die Kamera der SC7000 Serie von FLIR verwendet, um das CO2 zu filmen, das während des Gießvorgangs freigesetzt wird. Dies bestätigte visuell, was die Testergebnisse zeigten“, erklärt Guillaume Polidori.

Das Wärmebild zeigt deutlich, dass weniger CO2 entweicht, wenn das Glas beim Gießen von Champagner mit der „bierähnlichen“ Art des Servierens geneigt wird.

Die FLIR-Kameras der SC7000 Serie sind ein sehr flexibles, offenes System, das an jede denkbare Situation angepasst werden kann. Sie zeichnen sich durch höchste Empfindlichkeit, Genauigkeit, räumliche Auflösung und Geschwindigkeit aus. Diese Serie fortschrittlicher Wärmebildkameras wurde speziell für akademische und industrielle Forschungs- und Entwicklungsanwendungen konzipiert, bei denen Sie für die Erzielung von Ergebnissen höchste Empfindlichkeit und Leistung benötigen. Der Detektor, der dieses Exemplar der SC7000 Serie antreibt, ist ein gekühlter Indium-Antimonide-(InSb)-Detektor. Mit einer Empfindlichkeit von ca. 20 mK (0,02 °C) und einer Bildauflösung von 640 x 512 Pixel kann die Kamera selbst kleinste Temperaturunterschiede sichtbar machen. Die Integrationszeit ist in 1 μs Schritten einstellbar. In Kombination mit dem externen Auslösemechanismus kann die SC7000 selbst die flüchtigen Ereignisse erfassen.

Die visuelle Bestätigung der Auswirkungen unterschiedlicher Gießtechniken auf den Diffusionsprozess durch die Wärmebildkamera SC7000 lieferte den Forschern eine weitere wissenschaftliche Bestätigung ihrer Experimente, spielte aber laut Guillaume Polidori auch eine entscheidende Rolle. „Wir würden nicht die ganze Aufmerksamkeit der Presse auf uns ziehen, wenn wir nicht in der Lage gewesen wären, es zu visualisieren. Damit Forschungsergebnisse veröffentlicht werden, muss man solide und interessante neue Forschungsergebnisse produzieren, aber wenn man möchte, dass sie von der Presse wahrgenommen werden, benötigt man auch einen visuellen Anreiz.“ Und Guillaume Polidori ist der Meinung, dass die Wärmebildkamera ihren Teil dazu beigetragen hat. „Wir wurden sogar von einem Journalisten der New York Times kontaktiert.“ Er führt einen großen Teil dieser Aufmerksamkeit auf den Einfluss der Wärmebildkameras zurück. „Wissenschaftliche Daten allein sind nicht so spektakulär oder überzeugend, als wenn man sie mit eigenen Augen sehen kann. Daher spielte die Wärmebildtechnik eine sehr wichtige Rolle, um unsere Daten zu bestätigen und zu visualisieren.“

 

Die „traditionelle“ Art, Champagner zu servieren, erzeugt deutlich mehr Blasen.

Sehr spezifische Bandbreite

Doch zur Visualisierung der CO2-Emission war mehr erforderlich, als nur eine Wärmebildkamera auf das Sektglas zu richten. Der GRESPI-Forscher Hervé Pron arbeitete hauptsächlich mit der FLIR-Kamera. Er erklärt, warum es nicht so einfach ist: „Die mit Wärmebildkameras wahrnehmbaren CO2-Absorptionen sind recht schwach, da dieses Gasmolekül nur eine starke Absorptionsspitze in der Detektorbandbreite bei 4,245 μm aufweist. Also mussten wir uns diese spezielle Bandbreite genauer ansehen.“ Dazu verwendete die Gruppe einen externen Bandbreitenfilter. „Die Kamera arbeitet mit einer Bandbreite von 3 bis 5 μm. Um die thermische Emission des austretenden CO2 zu betrachten, haben wir einen externen Bandbreitenfilter angeschafft, der auf die CO2-Emissionsspitze ausgerichtet war und nur Infrarot zuließ, das die Bandbreite des jeweiligen Wellenlängenbereichs aufwies, den wir passieren müssen.“

Hervé Pron war von der Leistung der Kamera begeistert. „Wir benötigten eine Wärmebildkamera, die einfach zu kalibrieren, sehr genau, leichtgewichtig, unkompliziert zu bedienen und hochauflösend ist. Diese Kamera hat genau das geliefert. Wir konnten ohne zu viel Hintergrundstörungen oder „Geräusche“ genügend Details wahrnehmen.“

Um das austretende CO2 zu visualisieren, verwendeten die Forscher einen externen Bandbreitenfilter.

Der externe Bandbreitenfilter ist auf die CO2-Emissionsspitze ausgerichtet.

 

Die SC7000 arbeitet mit einer Bandbreite von 3 bis 5 μm, der externe Filter schränkt sie auf genau 4,245 μm ein.

Das perfekte Champagnerglas

In den letzten Jahren haben die Glasmacher den Verbrauchern eine neue Generation von Champagnerverkostungsgläsern mit einer gut kontrollierten CO2-Freisetzung während des gesamten Verkostungsprozesses vorgestellt. Dies war die treibende Kraft hinter dem schnell wachsenden Interesse an einem besseren Verständnis und der Darstellung aller Parameter, die bei der Freisetzung von gasförmigem CO2 aus Gläsern mit Champagner oder Sekt eine Rolle spielen.

Der nächste Schritt bei der Champagnerforschung ist die Erstellung eines vollständigen mathematischen Modells der CO2-Dissipation während des Gießprozesses, das die vielfältigen Möglichkeiten der CO2-Freisetzung während des Gießprozesses beinhaltet. Dieses Modell befindet sich laut Guillaume Polidori in der Entwicklung. „Ich kann nicht viel dazu sagen, aber wir arbeiten daran. Wenn wir es allerdings schaffen, wäre das eine äußerst nützliche Entdeckung, denn die Glasmacher könnten mit diesem Modell das perfekte Champagnerglas entwerfen.“

Der Artikel wurde mit den folgenden Verweisen verfasst: Physikalisch-chemischer Ansatz zum Sprudeln in Champagnerweinen Liger-Belair, G. 2002 Annales de Physique 27 (4) 4. Quelle bestimmter Abbildungen und Bilder: Zu den Verlusten von gelöstem CO2 beim Servieren von Champagner von Liger-Belair, G., Bourget, M., Villaume, S., Jeandet, P., Pron, H., Polidori, G. 2010 Journal of Agricultural and Food Chemistry 58 (15), S. 8768-8775.